Bilanz EU-Gipfel: Langfristiger Haushalt, Rechtsstaatlichkeit, Klima
Am Mittwoch begrüßten die Abgeordneten die Einigungen zum MFR, zum Aufbauplan und zu den Klimazielen für 2030. Der Rechtsstaatlichkeitsmechanismus müsse strikt umgesetzt werden, hieß es. „Wir haben rund um die Uhr gearbeitet. Die Verhandlungen waren intensiv, aber wir haben Verantwortung übernommen, die Hindernisse überwunden und uns zum Wohle Europas zusammengefunden", sagte der Präsident des Europäischen Rates Charles Michel. „Diese Einigung ist ein großer Schritt nach vorne. Wir haben jetzt den Haushalt, wir haben die Rechtsstaatlichkeit mit neuen und wirksamen Gesetzen gestärkt und wir haben uns darauf geeinigt, unsere Klimaziele für 2030 zu erhöhen". Er hob auch die Fortschritte im Kampf gegen die Pandemie, bei der Impfung und beim wirtschaftlichen Aufbau hervor. „Europa ist jetzt stärker und stellt sich der Herausforderung der Coronakrise", fügte er hinzu. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen betonte, dass der Aufbauplan NextGenerationEU „zur ehrgeizigsten Umgestaltung der europäischen Wirtschaft seit Jahrzehnten führen wird". In Bezug auf den Rechtsstaatlichkeitsmechanismus betonte sie, dass der Deal mit dem Parlament nicht neu aufgerollt wurde und dass die Schlussfolgerungen des Rates „das Gesetz nicht ändern". Die Kommissionspräsidentin lobte auch das 55-prozentige Reduktionsziel für Treibhausgasemissionen. Im Hinblick auf die zukünftigen Beziehungen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich betonte sie, dass sie nicht sagen könne, „ob es eine Einigung geben wird oder nicht, aber es gibt einen Weg zu einer Einigung - einen schmalen, aber er ist da", trotz verbleibender Differenzen über gleiche Wettbewerbsbedingungen und Fischerei. Zu den Corona-Impfstoffen sagte sie, dass das Ziel sei, in allen EU-Ländern am gleichen Tag mit den Impfungen zu beginnen. Für die deutsche Ratspräsidentschaft sagte Staatsminister Michael Roth, dass Europa die Lehren aus der Vergangenheit gezogen habe: „Solidarität ist der Weg aus der Krise, wir lassen niemanden zurück". Er betonte, dass Europa viel mehr sei als nur ein Binnenmarkt. Er unterstrich, dass sich bei der Rechtsstaatsregelung „kein einziges Wort geändert hat in Vergleich zu dem, was vorher vereinbart worden war". Mit Blick auf den MFR und den Aufbauplan sagte er, dass das Geld ab dem nächsten Jahr bei den Menschen und Regionen ankommen kann, die gelitten haben, und dass Europa „zu seinem Wort steht". Manfred Weber (EVP, DE) begrüßte die Einigung über den langfristigen Haushalt der EU. „Wir haben jetzt eine Menge Geld auf dem Tisch. 1,8 Billionen Euro, die in erster Linie für die Solidarität verwendet werden sollen". Er begrüßte auch den Rechtsstaatlichkeitsmechanismus und sagte: „Zum ersten Mal haben wir eine Verbindung zwischen EU-Mitteln und der Achtung der grundlegenden Prinzipien der EU. Wir erwarten nun von der Kommission, dass sie diese Regeln ab dem 1. Januar unabhängig und auf der Grundlage der Fakten anwendet." „Die COVID-19-Pandemie hat uns gezwungen, uns neu zu erfinden", sagte Iratxe Garcia Perez (S&D, ES). Dies seien beispiellose Errungenschaften, sagte sie und nannte den mehrjährigen Finanzrahmen und den Rechtsstaatlichkeitsmechanismus, der „unsere Werte stärker macht". Sie begrüßte auch das „erste Sozialbonussystem" der EU und den Aufbauplan. „Wir haben die Lehren aus der Krise von 2008 gezogen - Sparmaßnahmen können nicht die Lösung sein, wir können nicht diejenigen außen vor lassen, die uns am meisten brauchen", fügte sie hinzu. Dacian Ciolos (Renew, RO), sagte, dass das Jahr 2020 die Schwächen des europäischen Projekts offengelegt habe. Es habe an Koordination und Solidarität gefehlt, die Grenzen wurden geschlossen. Europa habe jedoch hart gearbeitet, um auf die Krise zu reagieren, sagte Ciolos und verwies auf den Aufbauplan und die Entwicklung eines Impfstoffs. „Wir haben gezeigt, dass wir am meisten erreichen, wenn wir geeint sind und wenn wir gemeinsame Prioritäten haben", betonte er. Zur Rechtsstaatlichkeit begrüßte er die Aussage der Kommissionspräsidentin, dass das Recht Vorrang vor politischen Erklärungen habe. Marco Zanni (ID, IT) äußerte sich kritisch zum Rechtsstaatlichkeitsmechanismus: „Das Abkommen ist zweideutig und faktisch, und der feierliche Ton einer absolutistischen EU in dieser Debatte ist fehlgeleitet. Die Bedrohung der nationalen Souveränität ist äußerst bedenklich. Einstimmigkeit ist die einzige Möglichkeit, wie Demokratie in dieser besonderen Struktur zum Ausdruck kommen kann." Ska Keller (Grüne/EFA, DE) sagte: „Es ist gut zu sehen, dass der Europäische Rat endlich, in letzter Minute, grünes Licht gegeben hat, um die von der Pandemie schwer getroffenen Bürger und Volkswirtschaften zu unterstützen." Allerdings „gibt es einige beunruhigende Trends hinter diesen Entscheidungen. In den letzten Wochen haben die Regierungen Ungarns und Polens Obstruktion betrieben und wollten den Aufbauplan als Geisel für ihre eigene antidemokratische Agenda nehmen", sagte sie, und auch, dass „das Klimaziel für 2030 immer noch weit hinter dem zurückbleibt, was nach dem wissenschaftlichen Konsens notwendig ist". Johan Van Overtveldt (EKR, BE) begrüßte die Einigung zum MFR und argumentierte, dass die Prioritäten des EP ihren Weg in die endgültige Vereinbarung gefunden hätten. „Wir hätten jedoch mehr tun können, um den EU-Haushalt besser auf die Zukunft auszurichten, während die Kosten der Pandemie und der Umgang mit dem Klimawandel nicht ausreichend berücksichtigt werden." Manon Aubry (GUE/NGL, FR) sagte, „das EU-Rotkäppchen wurde vom Orbán-Wolf gefressen", und beklagte, dass die erklärten Ambitionen der EU, zum Beispiel zum Schutz der Demokratie, der Menschenrechte oder des Klimas, nicht mit ihren Taten übereinstimmen. Sie kritisierte die Vereinbarung zum langfristigen EU-Haushalt, da sie um 200 Milliarden Euro unter der ursprünglichen Position des Parlaments liegt und weniger Investitionen für Landwirtschaft, Bildung, Forschung, Umwelt und Gesundheit bringe.